ein loft, zwei bmx und ein ganzer haufen marillenknödel. wien brennt!

5/10/2006

Gloriette, gentille Gloriette

Knapp vierzehn Tage Wachkoma gingen nicht Spurlos an uns vorüber. Was der Pilz an Haut übrig gelassen hat, schlackert Lose um die durch Mangelernährung spröde gewordenen Knochen. Selbst Schönberg, der früher ganze Tage vor seinem Lieblingsrechner verbrachte, muss alle paar Stunden aufstehen, da von seinem ehedem üppigen Popsch nicht mehr viel übrig ist, und er sich so die Beckenknochen wund sitzt. Weil es mir ähnlich geht, haben ich uns ein hartes Muskelwiederaufbauprogramm auferlegt. Nagut, bei Moto-Schönberg, der in seinem Leben nicht mehr als 100 Meter am Stück zu Fuss zurückgelegt hat, von *Wieder*aufbau zu sprechen entbehrt nicht ganz einer euphemistischen Note, sei's drum.
Nach einer erfrischenden Runde durch Schönbrunns Gärten rauf zur Gloriette, bei der des Kollegen Gejammer glücklicherweise schon auf den ersten Metern mangels Lungenvolumen verebbte, schwangen wir uns auf die BMX -sogar an die hatte Heilsbringer Huber bei seiner beispiellosen Rettungsaktion gedacht- bis wir etliche blaue Flecke und Hauabschürfungen später feststellen mussten, das wir das volle Potential dieser Art von Fortbewegung noch lange nicht voll auskosten können. Besonders Grobmotoriker Schönberg musste einiges einstecken, da er schon beim geradeausfahren probleme mit der Hand-Auge-Koordination hat.
Hätte mich ja gefreut, wenn er nach dem Sport ausnahmsweise mal die Vorzüge unseres vollausgestatteten Nassbereichs in Anspruch genommen hätte. Stattdessen streifte er sich nur ein paar seiner auch frisch aus der Wäsche kommend irgendwie nach zehnjährigem Präpubertanden müffelnden Klamotten über die Wampe, die als einziges Körperteil die Kellerkur seltsamerweise unbeeindruckt überstanden hat.
Morgen will mein nekrophiler Mitbewohner unbedingt ins Grabsteinland am Rennweg. Entdeckt hat er es gestern, als er auf dem Rückweg vom Einkaufen unbedingt eine "Abkürzung, die uns bestimmt eine halbe Stunde spart" ausprobieren musste. Strenggenommen bereitet es ihm einfach einen abartigen Heidenspass, sein windiges Automobil im Stadtverkehr und ersten Gang auf, angesichts der maroden Bremsen, haarsträubende 70 km/h hochzuquälen. Was daran befriedigend sein soll, Rentner in ihren führerscheinfreien Elektromobilen an der Ampel "gnadenlos zu versägen" (O-Ton Schönberg) ist mir nach wie vor schleierhaft. Feingeist Schönberg besass ja schon immer ein eher simples Gemüt. Den ganzen Rückweg, der dank seiner Brieftaubengleichen Orientierung und trotz überhöhter Geschwindigkeit mehrere Stunden in Anspruch nahm, erging sich Nekromaniac Schönberg in einem Fort in Phantastereien rund um Gebeine und Grabrieten. Ob ich seiner Kindlichen Freunde schon jetzt einen Dämpfer verpassen sollte?
Noch tendiere ich eher dazu, seinen zweifellos wunderbar zitronigen Gesichtsausdruck an Ort und Stelle zu geniessen, wenn herausfindet, dass es sich dabei nicht um einen Vergnügungspark handelt.