ein loft, zwei bmx und ein ganzer haufen marillenknödel. wien brennt!

4/20/2006

כּראָליצענס Lעבעשעלט דער פֿעיִנען Dאַמען

Krolitzen sieht absolut abenteuerlich aus. Als er sich nach Tagen eines ungewissen Geisteszustands heute aus der Koje schälte wirkte er sonderbar ruhig. Mit schmachtendem Blick wankte der sonst so rüde Maschbauer hinüber ins Hygieneabteil und unterzog sich einer sonderbaren Wandlung. Die Haare malträtierte er sorgsam mit einem fettigen Messer und einer Gabel bis sich fein gemaserte Löckchen an seinem Gesicht hinunterhangelten. Auf den Kopf setzte er einen schwarzen Hut und seinen bekanntermaßen verunstalteten Körper zwängte er in schwarzes Textil mit einer Banderole, "כּראָליצען, כּניג דער בֿוססיבאַר", stand dort. Die Zähne bleichte er währenddessen mit einer Mischung aus Toilettenreiniger und Abfluss-Frei - nur um mir wenige Minuten später zu verkünden er sei fortan "orthodoxer Jude" und nicht mehr für meine verabscheuungswürdigen Spielchen zu haben.
Diesen neuerlichen Spleen muss er sich bei den ebenso orthodoxen Kollegen im Viertel rund um Parasolias "Bricks" (einige von Krolitzens bevorzugten "Clubs" liegen auch in der Nähe) zugezogen haben. Vielleicht die Folge eines unverarbeiteten psychischen Schadens durch die Ablehnung einer Lebedame, die sich berechtigterweise vor Körperpilz.... aber das Kennen wir ja schon.
Ich musste Krolitzen retten, selbst mir gefiel es nicht, dass er schon wieder seinen - und meinen - Ruf auf Spiel setzte, wo doch die meisten Bekannten den Kontakt spätestens dann abblasen, wenn sie unser funghiformes Wohnparadies das erste Mal sehen. Ich ging also in den Nebenraum und zog die beiden von Fruchtmulti Dole gesponsorten Ganzkörperkondome hervor. Und - oh Wunder - auch der Canin fand sich dort, in einem Eimer eingesperrt und nach einer delikaten Mischung von Champagner und Erbrochenem stinkend (Wer hatte ihn wohl nach der letzten Party kurzerhand beiseite gelegt?). Ich schmieß die "Kostüme" vor Krolitzen auf den Boden und stellte den Eimer mit dem Canin neben ihn. Auf meine Frage, ob das denn seine Kennzeichen eines sündenfreien Lebens seien entgegnete er nur ein Grunzen. Wie so oft, den Rest des Tages hatten wir uns nichts mehr zu sagen. Hoffentlich legt er bis morgen seinen Glauben ab - oder ich zieh aus.

4/18/2006

Pessach.

Wüste Beschimpfungen aus dem Munde meines noch wüsteren Kollegen perlen an mir ab wie Tautropfen an einer Nelumbonacea. Er hat wohl heute Nacht eine seiner ganz und gar nicht koscheren Drognpartys geschmissen, was zu meiner Freude und Verwunderung anscheinend meine Tiefschlafphase nicht zu stören vermochte. Ich fühle mich herrlich erfrischt. Schönberg kniet derweil neben einer seiner Schwalben auf dem pilzzerfressenen Linoleum, und hat sich augenscheinlich auf das Kaninchen übergeben. Die Schuld dafür versucht er mir in die (Seltsamerweise, wie auch sonst das ganze Loft, mit einer weisslichen Schicht hauchdünn überzogenen) Schuhe zu schieben. Ich beschliesse, den sündigen Schönberg mitsamt seinen "Gästen" - leicht- bis nichtbeschürzte Gossenschönheiten, die im Keller verstreut im Aufwachen beriffen sind - alleine zu lassen, schlüpfe behende in meine Pumas, greife nach Sissi, meinem treuen BMX, um locker die Stufen zum Ausgang hinaufzupedalieren...
...als mich ein Würgelaut aus Schönbergs Reibeisenkehle aufschrecken lässt. Alles nur ein Traum. Ich auf meiner Bonellfederkern-Matratze, mein Kopf fühl sich an, als würde er in einer viel zu engen Schlumberger-Flasche stecken, auf die ein wahnsinniger Rabbiner mit einer der Qumran-Rollen eindrischt. Rechts vor mir erblicke ich Schönberg über das verstörte Kaninchen gebeugt, mitten im schönsten Vomitus. Muss mich abwenden, dabei schweift mein Blick über ein wahres Schlachtfeld: schemenhaft weichgezeichnet tauchen nach und nach immer mehr Details aus dem Halbdunkel unser Wohnstatt auf. Am Fusse der Treppe liegen zwei von Schönbergs Hübschlerinnen in United-Fruit-Bananenkostümen einträchtig nebeneinander in einer Champagnerlache, in den Fensternischen kauern weitere Dirnen leise Schnarchend. Auf dem Boden findet sich diverses Damenzubehör in regelloser Anordnung, und auf dem Waschbecken das vom mir am Tag zuvor aufwändig gereinigte Geschirr in loser Schüttung und desolatem Zustand. Und überall dieser feine weisse Staub...

4/16/2006

ménage moisissure

Nachmittags den komatösen Schönberg mit Stemmeisen und einer mehrfach umgelenkten Wäscheleine in seine müffelnde Schlafkoje befördert. Beim Absetzen stieg eine kleine Wolke Pilzsporen von seiner Bettstatt auf.
Manchmal reisst er die Äuglein auf, die dann hysterisch in ihren schwarzumringten Höhlen umherkollern. Dazu murmelt er etwas, das wie kruder Basic-Programmcode klingt.
Ansonsten verbringe ich den Tag völlig ungestört in himmlischer Ruhe. Ich nutze die Zeit, um die von Schönberg beim Ragoutieren gründlich verwüstete Küche auf Vordermann zu bringen; das Abtrocknen soll er erledigen, wenn er sich erhohlt hat. Eine kurze Durchsicht der verbleibenden Lebensmittelreserven fördert Erschreckendes zutage: der garstigen Verpilzung sind ausser dem Kaviar, den Bananen und ettlichen Scheiben "JA! natürlich" Vollkorn-Vollkern-Schwarzbrot grosse Teile unserer Saftreserven zum Opfer gefallen. Dass der Kollege auch immer mindestens sieben Tetrapaks gleichzeitig aufreissen muss! Die verdorbenen Viktualien gruppiere ich zur späteren Entsorgung auf dem Tisch, und wende mich dann angenehmeren Dingen zu; die tägliche Spiegel-online-Recherche und ausgiebiges Mailing lenken mich den Rest des Tages von Schönbergs unregelmässig-rasselndem Respirieren ab.

[...]

Es Klopft. Wenigstens hab ich Schönbergs Corpus ausser Sichtweite geschafft.

Die sieben netten und ansprechend gekleideten Damen erzählen was "Amüsiertermin" und geben sich auch sonst recht zutraulich. Sie haben sogar Champagner mitgebracht. Erst als mich eine von ihnen mit "Lieber Schönberg" anspricht, während sie meine Füsse massiert, geht mir ein Licht auf: der Kollege hat wohl telefonisch reserviert und auch noch im Voraus bezahlt. Ich denke, gleich nach der Fussmassage werde ich den Irrtum aufklären, und die Damen nach hause schicken...oh, was tun sie denn jetzt...mhm...vielleicht lade ich sie doch noch auf eine Tasse Tee ein...

4/15/2006

Der lange Weg nach vorn

Aufgewacht. Krolitzen wie ein Knetmännchen in Sommershitze zusammengesackt im Bett neben mir. Gott sei Dank - es war wohl nur ein Traum, dennoch habe ich dieses pelzige Gefühl im Mund und das dringende Bedürfnis Flüssigkeit aufzunehmen. Torkelnd schleppe ich mich in Richtung Küchenzeile. Meine Füße bleiben immer wieder hängen, in der Wohnung sieht es aus wie nach einer großen Swingerparty. Höschen, Halterlose Strümpfe. Damen. Krolitzen hatte sich wohl, mich im wahrsten Sinne des Wortes "links liegen lassend" wieder einen "Laisser-faire-Abend" gegönnt. Im Waschbecken türmen sich die Massen unseres ungespülten Geschirrs meterhoch. Herr Krolitzen, seines Zeichens "Architekt mit eigenem Lebensgefühl" hat dort ein statisch eigentlich unmögliches Bauwerk ersonnen. Direkt in meiner Spüle. Es ist kaum daran zu denken an den Wasserhahn mit frischen, wenn auch eiskaltem Wienerwasser zu gelangen. Wenigstens dringe ich nach dreissig Minuten stabilisierendem Eingriff zu meiner eingebauten Temperaturindikatortasse vor. Erst dann fällt mir auf: Das ganze "Studio Infernale" ist unter einer hauchdünnen weissen Schicht "beerdigt". Was hat Krolitzen wieder getan? Oder hatte ich doch nicht schlecht geträumt?
Mit meiner zwar versifften Tasse hangle ich mich langsam durch Nylon-Damenstrümpfe und Fesselwerkzeuge in Richtung Vorraum. Die Tür die Krolitzens "ein und alles", Hase, vor den biologischen Experimenten im Rückraum trennen sollte war zur Seite gefallen. Ich kann Hase nirgends entdecken, erinnere mich aber das mir während der Befreiungsaktion meiner Tasse ein Rascheln unter dem PVC aufgefallen war. Egal. Ich muss etwas trinken. Auf dem Tisch, unserem von chromhaltigen Farben durchtränktem Speisetisch steht ein TetraBrik "Clever". Ich öffne und gieße den Inhalt um. Die grüne fadige Substanz, die mit dem frischen Saft hinausplörrt stört mich wenig. Was solls ob ich es nun atme oder trinke? Runter damit. Den Weg zurück schaffe ich nur zur Hälfte. Irgendwo auf der Trenntür sinke ich nieder und erblicke unter dem PVC-Boden Hase. Inmitten weißer fädiger Gebilde. Krolitzen gibt wieder das charakteristische Röcheln von sich. Ich glaube mir wird schon wieder ganz schirch...

4/13/2006

20 Jahre Tschernobyl

Holz. Die Holzverkleidung ist noch da. Sie wabert noch. Dann ist alles beim Alten. Ich versuche den rechten Fuß zu bewegen. Keine Antwort. Der Fuss antwortet nicht... Augen... Meine Augen.


10 GOTO EYES

20 GOTO LEFTEYE$

30 OPEN

>BITTE WARTEN

nochmal
30 OPEN LEFTEYE$

>BITTE WARTEN

>...

>LEFTEYE$ ALREADY OPEN

stimmt. Die Holzverkleidung sehe ich doch. Sie wabert ja. Dann ist alles beim Alten. Aber. Mein Fuss. Der Fuss antwortet nicht. Keine Antwort, Mein Fuss.

[...]Zeit ist vergangen. Langsam kann ich wieder einfache Erinnerungen abrufen. Zuerst nur Farben. Dann, in der ganzen Soße. KROLITZEN. Der Herr kniet hinter der Klotür und bricht mit dem Abbruchhammer langfädige Substanz aus der Mauer. Staub, Staub. Überall Staub. Ich sehe die Wolke auf mich zukommen, das Werkregal mit der schützenden Atemmaske ist nur 5 Meter entfernt...


4 Meter...3 Meter...2,5 Meter...Dunkel.

[...] Es muss wieder einige Tage her sein. Mein Fuss, er antwortet nicht. Der FUSS. KROLITZEN. DER FUSS. KROLITZEN. Ich kann meine Augen bewegen! Der Kollege liegt im Staub hinter der Klotür. Seinen Kopf kann ich nicht sehen. Aber ein zartes Röcheln dringt an mein Ohr. ICH KANN HÖREN. Doch ich sehe in einem Berg langfadiger Gebilde seinen Oberkörperpilz. Er scheint eingewachsen. Ich möchte fliehen, den Kollegen mit seinen abermillionen Kollegen hier liegen lassen. Stille.


[...] DER FUSS. KROLITZEN. DER FUSS. MASCHBAUER KROLITZENS HAND. DIE HAND NOCH IMMER AM ABRUCHHAMMER. Sein Arm zuckt. Seine Hand. Das Gerät läuft wieder an. Direkt in die Klowand. Direkt. Staub. Staub, STAUB. Es wabert wieder. Die Wand wabert. Der Staub wabert. Krolitzen bohrhammert. Und mein Fuss, der FUSS ANTWORTET NICHT. Zur Maske: 2,5 Meter. Krolitzen, bald sind wir Kollegen...

4/12/2006

Magic Schönberg

Meine Fresse... aufstossen... in meinem Mund der üble Nachgeschmack von...
...Pilzragout???
Erinnerungsfetzen...Schönberg fischaugig verzerrt, mit hohler Stimme: "...die hab ich selbst gesammelt..."...ooohrgh...Augen...öffnen! geht nicht...doch! Triumph! Linkes zumindest auf Halbmast...frei assoziiert Karl Dall in meinen Schläfenlappen...da ist Schönberg, auf der Eingangstreppe, reglos...Ob die Pilze...kann nicht denken. Wasser.

[...]
Zwei komma fünf Liter Wasser getrunken. Kehle fühlt sich immer noch an wie Waschbeton, rechtes Auge lässt sich auch mit Wasser nicht öffnen. Seltsam zweidimensionale Wahrnehmung. Wollte Schönberg mit einem Eimer kaltem Wasser wecken, leider das Kaninchen getroffen.

[...]
Kopf dröhnt. Des Kollegen Pilzgründe gefunden. Schönberg hat die Wandverkleidung im Klo abgerissen. Dahinter organische Strukturen,weisse, langstielige Pilze, deren Kappe an einen halben Tischtennisball erinnert. Eine etwa Sofakissengrosse Fläche hat der Aberwitzige Schönberg abgeerntet, und daraus sein teuflisches Süppchen geköchelt. Würde mich nicht wundern, wenn er das Ganze mit Schierling abgeschmeckt hätte. Die Preiselbeeren waren wohl auch eher Tollkirschen.
Sternekoch Schönberg rührt sich immer noch nicht. Habe mich noch nicht entschieden, ob ich es mit einer Magespülung oder einer Peritoneallavage versuchen soll. Vielleicht warte ich auch einfach noch ein bisschen. So lange er deliriert, muss ich mir schön kein Genöhle anhören.

4/08/2006

C20H25N3O

Erst dachte ich ja, Schönberg triebe seinen kindlichen Schabernack mit mir, als er mich des Morgens mit tellergrossen Augen anflehte, ihm zu sagen, dass nicht der 8. April sei. Den Gefallen tat ich ihm, da ich ja überzeugt davon war (und es eigentlich noch bin), dass nach dem gestrigen sechsten April heute der siebente folgen müsste. Allein, die Tageszeitungsauslage der Traffik belehrte mich eines besseren. Oder eher schlechteren. Dass die Auslage dem tatsächlichen Datum manchmal ein, zwei Tage hinterherhinkt, liegt wohl an den dubiosen Bezugsquellen unseres Traffikanten (Die Billa-Retournagen werden nicht besonders gut beaufsichtigt, und haben selbst mich, als durch und durch aufrichtigen Charakter, schon in Versuchung gebracht), aber der "Standard" vom 8. schon am 7....schwer vorstellbar. An meiner Geistigen Gesundheit besteht selbstverständlich kein Zweifel. An Schönbergs glaube ich schon lange nicht mehr. Wie konnten unsere doch augenscheinlich so verschieden gearteten Hirne (ja, ich spreche auch Schönberg ein solches zu, wenn auch in der abgespeckteren "home"-variante) ein und der selben Sinnestäuschung erliegen? Oder handelt es sich doch um ein vom bauernschlauen Kollegen perfide eigefädeltes Täuschungsmanöver, zu welchem Zweck auch immer? Fragen, zu deren Klärung der heutige Tag wenig beitragen konnte.
Mit Schönbergs Gesundheit geht es stetig bergab. Ein nervöses Vibrieren seiner Nasenflügel ist schon nicht mehr zu übersehen, und zeitweise kann man über dem Rasseln seines verbliebenen Lungenflügels seine ohnehin schon undeutlichen Äusserungen kaum noch vernehmen. Nicht, dass das einen Verlust darstellen würde. Dem offensichtlichen zum Trotz behauptet er, kerngesund zu sein, und Ärztliche behandlung lehnt der fleissige "Wachtturm"-Leser Schönberg ja prinzipiell ab. Einzig zu einem Ausflug auf die Donauinsel konnte ich ihn überreden, dort harrte er Teilnahmslos und in verkrümmter Körperhaltung mehrere Stunden auf einem Poller aus. Ich setzte mich ein wenig abseits, um nicht eingreiffen zu müssen, sollte er in die Donau stürzen, seine wiederkehrenden Keuchhustenähnlichen Anfälle warfen ihn mehr als einmal fast hintüber.Selbst erfreue ich mich nach wie vor einer in Anbetracht der Umstände geradezu blendenden Gesundheit. Das Nasenbluten ist auch schon seltener geworden, bleibt sogar Stundenweise ganz aus.

Lysergsäurediethylamid

Sonderbar. Heute ging alles schief - auf mir unerklärliche Weise scheint es bereits der achte April zu sein. Dabei war ich heute morgen beim Aufwachen felsenfest überzeugt, es sei fürderhin der siebte. Kollegen Krolitzen gefragt, und ich hatte erwartet er würde mit seiner schnoddrigen Art antworten, ich sei wohl bekloppt und ob ich wohl denn nicht mehr zählen könne. Doch, der Alte, offenbar Verwirrte stimmte mir auch noch zu. Jaja, er sei sich auch sicher - aber es widersprachen alle Fakten unseren Überzeugungen... es muss irgendwie ein Tag verloren gegangen sein.
Meiner geistigen Verfassung bin ich ja trotz allem sicher, doch beim Kollegen machen mir seine zittrige Hand und auch die steten Zuckungen seiner Lider und süßlichen Ausdünstungen langsam Sorgen. Fast meinte ich, er würde langsam Verfallen - vermutlich hat der Oberkörperpilz ihn hier in der feuchten Studioluft übermannt und auch schon sein Hirn angegriffen. Ich habe ihm daher vorsichtig geraten sich vielleicht einmal von einem Vertragsarzt untersuchen zu lassen. Doch guten Rat lehnt Gesundheitsfibel-Krolitzen eh von vorneherein ab, ganz besonders falls er von mir kommt. Ich bin jedoch überzeugt: Der Psycho-Keller macht ihm eine Pilz-Paranoia. Um mich von solchen Gefahren abzubringen kehrte ich heute dem Suterrain-Terrible lieber den Rücken und sonnte mich auf der Donauinsel. Trocknen, Sonnen, Inhalieren. Ein guter alter Hawking in der Hand. Doch, es half nicht. Der Muffelkeller. Ganz ganz vielleicht ist mir ist auch schon schlecht.

Der Anti-Krolitz

Alles fing damit an, dass Schnäuber Krolitzen einen Teller "Penne al Funghi" verschmähte. "Die lamellenartige Struktur gefährdet mein Inneres", brachte er mir damals bei. Es ist ein paar Wochen her, ich tat es als einen erneuten Versuch seinerseits ab, mir möglichst widrige Lebensumstände zu bereiten. Heute belehrte er mich eines Besseren. Krolitzen, der schon von Kindesbeinen sakrale Neigungen zu kultivieren pflegt, meinte bereits morgens er spüre etwas "Raumzeitliches" in sich, und es heisse "ganz bestimmt nichts Gutes", wenn er das spüre. Schnell verschwand er in seine Schmollecke um in einem mehrstündigen Prozedere aus seinen Stoffsäckchen und Hofer-Tüten bizarr-verstaubte Bücher hervorzukramen. Er rief immer wieder "es ist der achte April", womit er zweifellos recht hatte. Ich entschied mich dem scheinbar Entgleisten einige Stunden ruhe zu gönnen und hoffte seine Sinnesstörung sei bloß mangels Sonnenlicht entstanden, da Nachtmensch Krolitzen wie bekannt die Tage im Bette und die Nächte. Nun gut. Er verbringt sein ganzes Leben dort, mal so, mal so. In der Bibliothek las ich Stephen Hawkings neueste Forschungen über die Natur der Dinge und im Ikea stapelte ich einen Salatteller meterhoch um mich vor Vitaminmangelerscheinungen zu schützen - sonst verlief alles weitere recht ereignislos. Bis auf den Hernn Kollegen.
Als ich zurück ins Studio kam war schon von weitem ein sonderbarer Lärm zu hören. Die Menschen machten einen sichtbaren Bogen um unser Domizil. Ich lugte vorsichtig durch die Tür. Ein völlig entkleideter Krolitzen stand dort, in der Mitte des Raumes. Auf dem Kopf einen Ufo-artigen Schirm gegen den er abwechselnd mit einem Löffel und einem scheinbar unter Spannung stehenden Stromkabel schlug. Es blitzte lustig und Krolitzen schrie mit erregter Stimme auf wenn ihm die Blitze Schmerzen berieten. Vor sich auf dem Boden lag eines dieser Bücher die er Tags zuvor aus der Bücherei entlehnt hatte - irgendein Mittelalterschundroman. Er schien daraus sinnfrei zu zitieren. Schlug. Schrie. Sein sonst recht mutiges Kaninchen lag völlig verängstig unter einem Stapel herausgerissener Blätter (ich war froh, dass er es nicht bereits geschächtet hatte). Die Prozedur dauerte weitere fünf bis zehn Minuten in denen er mitunter heftig auf den Boden stampfte. Dann war er plötzlich still. Unter dem "Schirm" holte er ein Stück Fleisch hervor. Ja, es war eindeutig ein paniertes Wiener Schnitzel. Von dem mehrminütigen Akt schien es recht unbeeindruckt und der Kollge sah etwas enttäuscht aus. Er warf es dem Hasen zum Fressen vor, der es ebenfalls verschmähte, setzte den blöden Hut ab und zog sich wieder etwas an. Seither haben wir nicht miteinander geredet.

Die Schönberg-Konstante

Schönberg scheint die fleischlose Ernährung nicht gut zu tun. Sein ohnehin labiler Geisteszustand verschlechtert sich rapide. Heute hat er ein kariertes Stück Papier, der horizontalen Teilung folgend, in dünne Streifen zerschnitten, die er dann, mit winzigen Jahreszahlen versehen, auf dem Estrich mit Zahnpasta zu einem "Zeitstrahl" zusammenklebte. Darauf, so behauptet der bekennende Bizarrist Schönberg, mit einem Alu-Lampenschirm auf dem inzwischen kahlrasierten Schädel, könne er sich vorwärts- und rückwärts durch die Zeit bewegen. Seit etwa zwei Stunden ist er im Spätmittelalter, und reagiert nur noch, wenn ich ihn mit "Eure Magnifizenz" anspreche. Alle paar Minuten klopft er mit einem alten Wasserrohr, das er ganz hinten im Keller gefunden hat, auf den Boden, um ein Raum-Zeit-Fenster zu öffnen, durch dass er mir dann, mit sehr lauter Stimme, neueste "historische Erkenntnisse" übermittelt. So sei die Spanische Armada in wirklichkeit eine harmlose Fischfangflotte gewesen, mit der der damalige Spanische König PhilippII eine Hungersnot in Kallabrien lindern wollte, und Luther habe auch nicht 95 sonder 96 Thesen angeschlagen. Die Pest sei eine Erfindung der Katholischen Kirche... Was er aus der Zeit von 1600 bis 1945 zu berichten hatte, blieb mir erspart, da ich den Mittag in der Uni, der Bibliothek und auf einen leckeren Salat bei IKEA verbrachte. Ich werde versuchen, meinem verwirrten Kollegen bei nächster Gelegenheit ein paar Brocken rohes Fleisch einzuflößen, in der Hoffnung, dass ihm tatsächlich nur essentielle Aminosäuren und nicht etwa ein paar Tassen im Schrank fehlen. Mmmmh, jetzt ein Schnitzel...

4/07/2006

Schönbergs Visionen

Chefparanoiker Schönberg sollte sich nicht so viel auf Verschwörungstheorieseiten im Internet tummeln. Kann er auch nicht mehr. Er hat dem Medium komplett abgeschworen. Warum? Es könnte schliesslich jeder seine hochsensiblen und sicherheitsrelevanten Daten sammeln, Archivieren, und in dem uns laut Noatradamus Schönberg unausweichlich bevorstehenden Neofaschistoiden System gegen ihn verwenden. Gut, ich gebe zu, der aus Überzeugung kleinkriminelle Schönberg hat eine Menge Dreck am Stecken, aber was ein fiktives Terrorregime mit der Information anfangen soll, dass er sich schon seit Jahren bemüht, weitere Chiquita-Bananenkostüme in allen Grössen zu Phantasiepreisen auf Ebay zu ersteigern, ist mir vollkommen schleierhaft. Auch die Aktfotoserie, die er neulich beim "Atelier Körperkunst" von sich hat machen lassen, auf deren Homepage unter "humoreskes" zu finden, würde ihm schlimmstenfalls zu mildernden Umständen verhelfen. Nichts desto Trotz, nachdem der Wahnsinnige formerly known as Schönberg vorhin sämtliche Bonuskarten, seinen Reisepass und versehentlich seine "American Express Gold" bei enormer Qualmentwicklung über einem Teelicht verbrannt hat, ist er jetzt dabei, die Markennamen aus all seinen Klamotten zu schneiden. Davor hat er versucht, sich die Haare mit Edding rot zu färben ("ich brauche eine neue Identität"). Vor etwa zwei Minuten hat er sich Taschentücher in die sowieso schon recht voluminösen Backen gesteckt ("Die neuen Überwachungskameras erkennen dich an der Gesichtsform"), die jetzt langsam durchweichen und in kleinen, weissen Zelluloseklümpchen ihren weg ins Freie finden, während Schönberg die Kellerwände mit Alufolie beklebt und mit seiner lächerlich verstellten Stimme versucht, mich zu überzeugen, es ihm gleich zu tun. Nicht aus Sorge um meine Sicherheit, versteht sich. Allein deshalb, weil er befürchtet, dass man über mich auf seine im Internet verbliebenen Daten stossen könnte.
Den Abend hat er sowieso verdorben, indem er S., die uns ins "Bricks" begleitet hatte, Stundenlang mit aufgesetzter Klaus-Bednarz-Stimme über die Rolle unserer Regierung in einer Globalen Verschwörung mit der Plattenindustrie zugetextet hatte, und sich auf dem Rückweg, im Flüsterton weiter fabulierend, an den Hauswänden entlangrobbte. Jaja, die Spionagesatelliten. Bei jeder grünen Fussgängerampel hielt er inne, bis sie gerade auf Rot schaltete, und rannte dann in gebückter haltung vor den Anfahrenden Fahrzeugen vorbei, um etwaige Verfolger abzuschütteln.
Ich hoffe, die Paranoia legt sich bald wieder. Sonst weiss ich nicht, wie ich meinen extravaganten Lebenswandel weiterfinanzieren soll. Muss schnell bei Ebay vorbeischauen, und noch ein Chiquitabananenkostüm einstellen.

Schlumberger Gold

Jaja, Bonuspunkte für Schnitzelwecken sammelt er. Im Obi hat er die "Kundenkarte", im Baumax die "Preissägekarte". Bei Google lässt er alle seine Email zeitlebens speichern und den Adressenhändlern schenkt er zum Geburtstag Blumen weil auf ihre Veranlassung immer diese bunten Werbeheftchen in seinen Briefschlitz eintrudeln. Die "Schlumberger Senator Card", hat er neulich in der Bussibar bekommen, bei einer kleinen Feier haben sie ihm im Chiquita-Bananenkostüm die Härchen an entlegenen Orten rasiert. Der Herr Krolitzen hat da nämlich gar keine Bedenken. Jeder könne doch ruhig wissen wo er sein Toilettenwasser kauft, welche Fotoseiten im Internet er anwählt, welches Chappi sein imaginärer Hund "Gorefred" gerne nascht. Der Herr Krolitzen nämlich, der ist gar nicht beunruhigt. Im Billa, da bekommt er auf seiner "Ottakringer-Card" gerade ein WM-Maskottchen mit Bierkühler gratis dazu. Im Subway hat er alle Märkchen für das "Doppelknoblauchstangerl mit Zwiebelringen" voll (Bonus: Ein Döslein "Axe Desodourizer"). Der Herr Krolitzen ist einfach eine Datensau. Und mir wäre alles egal, wenn ich nicht später einmal Besuch vom Herrn Schutzmann bekäme und er mich früge ob ich denn den Herr Krolitzen kenne und ob ich auch diese lustigen Latexspiele mit minderjährigen Osterhasen möge. Jaja. Nur weiter so. Heute, da ging ich lieber ins Bricks. Bei arythmischer Schrammelmusik ein paar Kurzgetränke kosten. Ohne Bonuscard und Gratisaccount. Und unser Sekundantin S., der hat das eben auch gefallen. Krolitzen ging gerade noch mit Heim. Auf halben Weg ward er verschwunden. Es winkt schon die "Schlumberger Centurion Gamma Card".

4/06/2006

Zum Fendrich zu singen

Dei' hohes G'wölb ist längst hinüber,
Dös Mauerschwammerl nagt an dir;
Von Ruhm und Glanz ist wenig über,
Babbáa, i hoids ned aas bä dia.
Raus san mir.

I kenn die Leut', i les den Falter,
Des schänt koa ondra mehr zum dun,
Hab koan Reschpekt mehr vor Däim Oider,
Frag ned warum.

Da koannst du moch'n, was du wüüst,
Hier wü i weg,
DA k'her i hin,
Da spüüts den Dreck vo'mäner Haat
wia von den Dechan im Aprüü,
Aa wenn mers fast vagessn ham,
Eh kloa, i wüü a Duschn ham.

Das neue hääm, die soagfabrik
Unwiderstehlich und so hell
Frischluft frei und glää im kubik
Da zeag ma hin und das ganz schnöllsag i,
a mensch, da wööt voll stolz,
Und wenn ihr wollts, ganz unscheniert:
Jetzt bin i arriviert!

4/05/2006

Herz aus Glas

Soll ich ihm jetzt auch noch dankbar sein? Krolitzen zwingt mich seit zwei Tagen zu fleischloser Ernährung indem er sämtliche Fleisch und Wurstkonserven in seiner Nähe exhopp selbst verkonsumiert. Doch der reichliche Schub an Vitaminosen und sekundären Pflanzenstoffen hat scheinbar meiner Gesundheit fürwahr gut getan - so musste ich noch heute Morgen wegen akuter Grippesymptome einen Termin mit meiner Assett-Managerin P. der Bank Austria absagen und schon heute Abend zog ich doch tatsächlich mit Krolitzen, der wie er sagt "total schlumpfig drauf" war, um die Häuser. Klar, der alte Schlumberger wollte er sich mit ein paar Schwalben hiesiger Ambiente-Bars einlassen (dabei hatte er am Wochenende zuvor erst mit netten Hanoveranerinnen angebandelt), aber geschickt nutzte ich seine Ortsunkenntnis und lotste den Kollegen ins "Bricks", eine Szenekneipe mit ausgelassen schlechter Musik von Knorkator über Abba bis Helge Schneider. DJane Parasolia, Theken-Schlampe mit dem schlechtesten Geschmack seit meiner Dreiviertelhose mit Stern auf dem Gesäß spielte wirklich gräßliche Musik. Wir tranken dazu Tequila und unterhielten uns mit einem Netten Pre-Graduate der allgemeinen Künste mit den Studienschwerpunkten ethnophiler Lebensweise und chinesischer Musiken - vermutlich auch queere Politiken im Neoliberalismus. Dank ihm konnte ich für den Kollegen auch seinen Lieblingstitel "Herz aus Glas" der Münchner Freiheit aufschreiben und dem sonst eher audiophoben Mann endlich mal einen Song aus dem Netz laden. Der nette Student empfahl und übrigens selbst Musik von Yat Kha. Im Gegenzug klärten wir ihn über die Qualitäten eines guten Angelo Branduardi auf.

Nahost-Konflikt

Carnivor Schönberg ernährt sich dank meines beherzten Eingreifens in unseren Ernährungsplan schon seit zwei Tagen fleischlos. Für ihn ein grosser Schritt, da bisher täglich der Gegenwert eines halben Hammels seinen Verdauungstrakt passieren musste, damit er sich halbwegs ausgeglichen gab. Ich muss sagen, fast bin ich ein wenig stolz auf ihn. Natürlich weiss ich, dass es nicht mein Verdienst allein ist. Ich habe den Eindruck, dass er sich seit seiner wochenendlichen Begegnung mit einer Iranischen Sheherzade überhaupt zivilisierter benimmt. Zwar gibt Schönberg vor, sich an nichts zu erinnern, was nicht mit dem iranischen Atomprogramm oder Weltpolitischen Themen zu tun hat, aber die orientalische Schönheit muss ihm doch irgendwie ins Gewissen, oder das, was er stattdessen hat, geredet haben. So erschien mir auch sein Vorschlag, auf einen Absacker in eine der Stadtteilkneipen zu gehen weniger bedrohlich als sonst, und so chillten wir im "Bricks" zu der auf der Homepage angepriesenen "schlechtesten Musik aller Zeiten von Roy Manson bis Marilyn Black". Die Dame hinter den Turntables machte ihrem Ruf alle Ehre, und wir die Bekanntschaft eines "Student Generale", dessen momentanes Hauptanliegen anthropomorphe Architektur und Chinesische Musik im weitesten Sinne ist. Er hatte einen Stift, ein Bier und einen Hut, und besonders mit dem Stift machte er Schlumberger Schönberg eine Freude, konnte dieser sich doch endlich all die wunderbaren Titel, die Frau Parasolia auflegte, notieren.

4/03/2006

Bei uns zu Gast: Magister Huber

Schönberg die ganze Nacht beim Röcheln zugehört. Er hat sich so in seine "Krankheit" hineingesteigert, dass er scheinbar selbst dran glaubt. Placebo-Effekt, nur anders. Heute weigerte er sich, auch nur für einen Moment vor die Tür zu gehen, selbst für seinen alltäglichen Besuch im "Studio Penthouse" wollte er sich nicht aufraffen; da begann ich, mir ein wenig Sorgen zu machen. Wenn er mir nun wegstürbe, wäre das ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, wo doch morgen Magister Huber vorbei- und den Schimmel anschauen wollte. Die Zeit wäre zu knapp, um den Schönberg unter unseren schimmligen Dielen verschwinden zu lassen, zumal das ja genau der Ort ist, wo sich der Huber tunlichst umsehen sollte. Also machte ich mich auf, bei Billa die Grundlage für eine gesunde und vitaminreiche Reis-Gemüsepfanne zu besorgen. Und siehe da, nicht mal mein dauernörgelnder Kollege hatte etwas auszusetzen, und so verbrachten wir den Abend in ungewohnter Einträchtigkeit bei Futurama und Rohkost. Schönberg hätte ja lieber den ruckeligen Amateurfilm geguckt, den er mit seiner Knopflochkamera im "Erotik-Center Naschmarkt" aufgenommen hatte; zum Glück war das halbseidene Panoptikum dermaßen schummrig beleuchtet, dass selbst Schönberg, der ja live dabeigewesen war, erhebliche Schwierigkeiten hatte, die zweifellos unzüchtigen Vorgänge auf dem Monitor zu erkennen, und gnädigerweise nach wenigen Minuten abbrach.

Hilfe, Doktor Huber

Seine Deo-Orgie am Vorabend hatte Nachwirkungen. Der massive Ausstoß von desodorierenden Mitteln hatte in Kombination mit der verpiltzen Raumluft im Studio ein toxisches Potpourri ergeben. Das Ergebnis war ernüchternd, in der schlaflosen Nacht durchlitt ich mehrere Lungenembolien, mein Schädel dröhnte heute morgen wie ein Asphaltmahlwerk. Daher der Beschluß den heutigen Tag komplett aus meiner Wahrnehmung zu streichen. Selbst Krolitzen schien mein zugrundgerichtetes Dasein zu Mitleidsbekundungen zu Bewegen - er gab sich sogar die Mühe ein Mittagmahl zu bereiten. Leider hatte dem eher unselbstständigen Herrn keiner beigebracht, dass Reis gekocht und nicht roh gebraten wird. Trotzdem, die hohe Feuchtigkeit in unserer Raumluft brachte die Körner dann doch irgendwie zum quellen und Krolitzen sogar ein schmackhaftes Mahl auf den Tisch.
Um endlich die lebensfeindliche Umgebung im Loft abzustossen nahm ich Kontakt zu unserem zwar noch jungen, aber in Verhandlungsfragen selten unschlagfertigen Vermieter auf. Doktor Huber, wie wir ihn nennen, wird morgen zur Inaugenscheinnahme unserer Räumlichkeiten antreten, mit vereintem Geschick hoffen wir so die Mietbindung zur Örtlichkeit aufgeben zu können. Zusammen mit Kyrill brechen wir hoffentlich bald in ein neues Leben auf.
Den Abend verbrachte ich mit Krolitzen mit Konsumieren einiger Folgen "Futurama" aus dem Internet. Erstaunlicherweise konnten wir uns einigen und ich musste nicht die wahrscheinlich erschreckenden Mitschnitte seiner letzten Nächte in der "Bar Scandaleux" ansehen. Der Verweis auf meine labile Gesundheits- und Gemütslage hatte mich gerettet.

Gottschalks tiefe Erkenntnis mit Mlle. Hunziker

Der Putzteufel hat ihn befallen. Kaum aufgestanden verschiebt Krolitzen mit knarzender Stimme den ganzen Tag seine "wichtigen Aufgaben und Angelegenheiten fürs Studium" um mit viel TamTam Ordnung in die Wohnung - die ich Tags zuvor pikkobello gereinigt hatte - zu bringen. Bilanz des Tages: Eine halbe Schachtel Spaxschrauben hat er in irgendwelche Wandvertäfelungen gedreht um eine "vernünftige Garderobe" zu konstruieren, mit dem Schlagbohrer fräßte er Löcher in unser Notizdisplay und alle Gerätschaften und Möbel bekamen einen Identifikationsanstrich mit leicht verständlichen Symbolen. Mir hat er einen "Genesungsstuhl" mit rotem Kreuz geschaffen, dabei bekam ich nur wieder Kopfweh von den zwei Dosen Deospray die er sich statt ordentlicher Waschung auf den verpilzten Oberkörper sprühte, der mit dem desolaten Zustand des Bodens im hinteren Teil unseres Studios einhergeht.
Was ein Glück, dass Kyrill, unser freundlicher und potentieller Mitbewohner scheinbar Wohungen zur Besichtigung aufgetan hatte. Schon am Dienstag treffen wir uns zur Inaugenscheinnahme, zur Sicherheit habe ich auch einen befreundeten Telekabelmitarbeiter mit Kontakten zum Wohnungsmarkt auf ein Einzelzimmer angesetzt, denn ich habe von den Pilzsporen schon wieder leichte Symptome in den Atemwegen. Ich hoffe nur das Beste und glücklicherweise hat Krolitzen mir einmal nicht den Internetzugang abgestellt und ich kann mich auch selbst ein wenig nach Neuem umsehen.
Er sitzt derweil paralysiert vor dem eigenen Rechner und versucht zu verbergen, dass er wieder mit ein paar netten Bordscheinschwalben online um die Preise feilscht. Sein neuster Tick ist sich dabei zum Ablenken über meine Vorliebe für anständige deutsche Samstag-Abend-Unterhaltung lustig zu machen (zum Glück, ich höre ihn nicht. In einem grenzgenialen Anfall von Kreativität habe ich mit einer dicken Kapuze sein Dauerlamenti akkustisch ausgesperrt). Dabei klickt er sich seit Stunden auch durch die deutschen Presseagenturen auf der Suche nach hochauflösenden Huntziker-Dekolleté-Bildern der letzen "Wetten dass?" Sendung. Ach, statt Gottschalks Aprilscherz wäre mit lieber gewesen, Feinrippmacho Krolitzen danke endlich ab.

4/02/2006

Schönberg scheintot

Berufsypochonder Schönberg sitzt seit Stunden greinend in einer Ecke. Die Welt habe sich gegen ihn verschworen, alles sei Scheisse, er hätte nie hierherkommen dürfen, den ganzen Weltschmerz-Sermon rauf und runter. Auf Nachfrage fängt er an zu Krächzen und zu Husten, Taschentücher auf Augen und Nase zu drücken und guckt recht elend. Ich glaube, er hat - wenn überhaupt - leichtes Halsweh. Ich habe heute meine Zeit und Schönbergs Selbstimmobilisierung mittels Schlafsck, Decken und Winterjacke ("damit es keine Lungenentzündung wird") genutzt, um endlich ein bisschen Wohnlichkeit in unsere kargen vier Wände zu bringen, auch wenn es dafür eigentlich schon etwas spät ist; unser potentieller Mitbewohner russischer Abstammung, K., hat sich mit einem Wohnungsbesichtigungstermin am Dienstag gemeldet. Endlich wieder eine Tür zwischen Schönberg und meiner Wenigkeit...
Jetzt sitzt der Kollege vor seinem Rechner, und versucht verzweifelt, aus einzelnen im Netz erhältlichen Versatzstücken die komplette gestrige Wetten-Dass-Sendung zu rekonstruieren. Oder zumindest die Stellen mit der Hunziker, vermute ich. Schönbergs "Krankheit" scheint jedenfalls seiner überproportional ausgeprägten Libido keinen Abbruch zu tun. Zwischen zwei Hustattacken hat er vorhin versucht, eine der an unserem Keller vorbeistöckelnden Damen hereinzubitten, mit einem 100€-Schein, den er sich zuvor aus meiner Geldbörse gemopst hatte. Zum Glück verhedderte er sich beim Aufspringen in seinem mintgrünen Tigerenten-Schlafsack, was der Dame Gelegenheit gab ihre Entscheidung zu überdenken, und uns zu beweisen, dass high-heels durchaus sprinttauglich sind.

Panzergeneral Schönberg

Schönberg gegen 14:00 endlich zum Auftehen bewegt. Der halbe Kasten Ottakringer hatte tiefe Gräben unter seine Schweinsäuglein gegraben. Nach einem Liter Schwarztee, den er ob seiner Zittrigkeit mit Hilfe eines Strohhalms zu sich nahm, war er dann soweit, den Tag zu beginnen. Mir oblag es wieder einmal, diesen zu strukturieren. Wir fuhren also zum Donauzentrum, um unsere lädierte Garderobe aufzustocken, was bei Schönberg mit seinem enormen Restalkoholpegel zum modischen Desaster geriet, und nach einem kurzen, unerfreulichen Mittagsmahl - Schönberg bestand darauf, ein rundum-glücklich-Paket bestehend aus drei Paar Würstel, drei Semmeln vom Vortag und einer Tube Senf für 2,49 zu kaufen - machten wir uns daran, das Chaos im Studio zu reduzieren. Das heißt, ich räumte auf, und Schönberg trug sinnfrei Sachen von A über R, Q, G und L zurück nach A. Abends dann, in der Benno-Bar, lief der alte Militarist zu seiner Tageshöchstform auf. Wir spielten "El Grande" mit unserer Wiener Gönnerin S.; das heißt: wir spielten, Schönberg führte Krieg. Er teilte seine Caballeros in einzelne Panzerdivisionen auf, stellte krude Verschwörungstheorien auf, malte Geländekarten auf Bierdeckel, in denen er minutiös die gegnerischen "Stellungen" eintrug, und nur mit Mühe konnten wir ihn davon Abbringen, die nette Bedienung zu foltern, die er als Spitzel beschimpfte, nachdem sie seine bekritzelten Bierdeckel abräumen wollte. Am schwersten traf ihn dann sein überaschender Sieg. Er wäre wohl lieber den Heldentod gestorben.

"El Krolitzen" im Schlafrock

Völlig übernächtigt machte Krolitzen heute bereits am frühen Nachmittag einen Heiden-Rabatz - dabei musste ich in der Nacht zuvor auf den fleissig Ottakringer konsumierenden Begleiter Acht geben und ihn sicher nach Hause geleiten. Und da sagt er doch mir von Augenrändern gezeichnetem Wesen, er wolle jetzt sofort "endlich mal Schuhe kaufen", habe "noch nichts gegessen", fände es "dringend nötig hier einmal aufzuräumen" und außerdem sei "die Wäsche noch immer feucht" und sowieso ginge es so ja nicht weiter. Zögernd ließ ich mich auf das Unvermeidliche ein, schließlich konnte ich den Mann ja nicht alleine in die U-Bahn lassen, der Restalkohol machte in ein wenig orientierungslos. Also auf nach Kagran, drei Stunden Donaucenter mit Krolitzen. In der Lingerie-Abteilung eines bekannten Ausstatters pöbelte er unflätigst über die Auststellungsdekoration, im H&M kaufte er sich seide Boxershort mit Simpsons-Motiven - und setzte allem die Krone auf er mir zum Mittagessen zwei schmalzige "Frankfurter (kalt) mit altem Semmel und Senf" um nur 2,49 Euro vorsetzte. Ich konnte mich nur durch teure Beruhigungskäufe Nervenzusammenbruch retten.
Der Abend war weit weniger anstrengend - irgendwie hatte Krolitzen seine dringendsten Bedürfnisse gestillt. Wir wählten zusammen mit Dauergastgeberin Schöppa ein kleines Lokal zum Spieleabend. Es gab "El Grande" - was den Kollegen dazu animierte ständig in schlechtem Spanisch formulierte Zoten einzuwerfen während er sich über das eigentlich friedfertige Spiel mokierte und den Ablauf durch selbst gebastelte "Panzerbataillone" und "strategische Erweiterungen" fast zum Erliegen brachte. Die Bedienung wurde im Minutentakt herzitiert um Bananensplit ohne Eis oder "Mohren im Schlafrock" zu servieren, überschüssige Nahrung wurde kurzerhand auf dem Spielbrett verteilt.
Zum Schluß hatte er sich fast durch gekonntes Auslegen der Spieleanleitung zum Sieg gemogelt, nur meine Besonnenheit rettete einen knappen Vorsprung, zumal sich Krolitzen und Schöppa auch noch gegen mich verbündet hatten. Glücklicherweise wollte er gegen halb zwei zurück ins Kellerstudio, an einer Straßenecke gleich vor der "Wohnung" hofft er seitdem darauf von zahlungswilligen Damen unmoralische Angebote zu erhalten. Im "Nightclub Valentin" wurde der schokoladenverschmierte Mann leider nicht hereingebeten.

4/01/2006

Wien, wir sind gerne zu Gast in deinem Mantel

Krolitzen hat mit der Welt abgeschlossen. Ich auch. Durch puren Zufall haben wir die U1:Kagran gefunden. Nicht, daß wir uns das verdient hätten. Im Gegenteil. Wie stehen die Chancen, in einer Millionenstadt, ausgehend von einem Ort, an dem man noch nie war, in eine Richtung gehen, die man nicht kennt, doch nach Hause zu finden? Eben. Nicht mal Mutter Theresa oder der Papst himself wäre dazu befähigt. Man darf uns ab jetzt Sankt Krolitzen und Sankt Schönberg nennen. Wien meint es gut mit uns. Danke.

Wien hat uns.

Schönberg hat mit der Welt abgeschlossen. Ich auch. Durch puren Zufall haben wir die U1:Kagran gefunden. Nicht, daß wir uns das verdient hätten. Im Gegenteil. Wie stehen die Chancen, in einer Millionenstadt, ausgehend von einem Ort, an dem man noch nie war, in eine Richtung gehen, die man nicht kennt, doch nach Hause zu finden? Eben. Nicht mal Mutter Theresa oder der Papst himself wäre dazu befähigt. Man darf uns ab jetzt Sankt Schönberg und Sankt Krolitzen nennen. Wien meint es gut mit uns. Danke.